![]() |
||||
---|---|---|---|---|
![]() |
Gaby Peters | |||
![]() |
||||
![]() |
Alexandra Orth // Katalogtext zum Robert-Schuman-Preis // Stadtmuseum Simeonstift Trier // 2015 |
![]() |
||
Einfach mal abschalten. Gaby Peters entzieht sich der Alltagsmaschinerie auf ihre Weise: Mit ihren kinetischen Apparaten sorgt sie für Slow Motion in einer hypertechnisierten Zeit. Die Bildhauerin karikiert automatisierte Herstellungsprozesse, indem sie Maschinen baut, die Glückskekse zertrümmern, Teller jonglieren oder die Arbeit schlichtweg verweigern. Sie zweckentfremdet Wäschespinnen als Roboter und Teelichter als Popcorngrills. Damit widersetzt sie sich demonstrativ den Anforderungen von Funktionalität und Produktivität, die heutige Bewegungsabläufe steuern. Hinter dem quietschbunten, glänzenden Interface ihrer Produkte verbergen sich Konsumkritik, Technikskeptizismus und die ernüchternde Einsicht, dass es nicht immer nur vorwärts geht. //////// Der Bewegungsapparat unseres Planeten ist so komplex, dass man ihm mit Staunen gegenübersteht. Nur in Modellen wird annähernd erklärbar, was die Welt zusammenhält. Ein Klassiker solcher Versuchsanordnungen ist das Kugelstoßpendel nach Newton. Gaby Peters Interpretation dieses Apparats besteht aus 5 riesigen Wasserbällen, die an Fäden von der Decke hängen. Kindliche Freude erfährt der Betrachter, wenn er einen der bonbonfarbenen Ballons gegen den nächsten dotzen lässt, und beobachten kann, wie sich der Impuls des Anstoß’ bis zum letzten überträgt. Die Installation verzaubert durch die Leichtigkeit der Bewegung, in der die Bälle zeitlupenhaft und schwerelos vorüberpendeln. Sie überspielt, dass sich dahinter spröde Physik verbirgt: Newtons Energieerhaltungssatz. Er besagt, dass die Weitergabe von Energie ein Grundprinzip unseres Lebens ist – eine poetische Vorstellung, der Gaby Peters Installation mehr gerecht wird als jede Formel. Schon bald wurden die physikalischen Erkenntnisse in die eigene Produktivität gelenkt: höher, schneller, weiter. Gerade das sind die Produktionsketten, die Gaby Peters mit ihren Arbeiten unterbrechen will. Für ihre Plate-Spinning Machine zweckentfremdete sie einen Scheibenwischermotor und baute daraus einen Antrieb, um Teller auf einem Stäbchen zu jonglieren. |
Umgekehrt verhält es sich mit Gaby Peters Popcorn-Maschine, deren Funktionsweise sie in einem Video festhält. Für den Maisröster Marke Eigenbau benötigt sie lediglich Draht, eine Zange und ein Teelicht. In der Anmutung eines DIY-Tutorials führt sie ihre Erfindung vor. Mit der kleinen Drahtstellage bringt sie über dem Flämmchen Korn um Korn zum Platzen. Innerhalb von 4 Stunden und 40 Minuten gelingt es ihr auf diese Weise, eine handelsübliche Packung Popcorn eigenhändig herzustellen. Die Mühsal und Langwierigkeit des vorindustriellen Prozesses werden im Video in Echtzeit nachvollziehbar und rufen den Wert von Arbeit wieder ins Bewusstsein. Damit greift Gaby Peters einen Trend auf, der sich aktuell im Internet verbreitet: die Maker-Bewegung – junge Menschen, die auf Konsum verzichten und die Dinge ihres täglichen Gebrauchs selbst herstellen. Darin zeichnet sich nicht nur eine Rückkehr zu mehr Einfachheit ab, sondern auch die Suche nach Survival-Strategien. Euphorie und Skeptizismus gehen in Sachen Technik einher – ein Aspekt, den Gaby Peters auch in ihrer Arbeit Sorry, Not in Service zum Thema macht. Ihr signalgelber Apparat stellt eine riesige Infotafel dar. Einmal angeschaltet, rotiert in ihr ein Spruchband. Farbe und Größe des Geräts versprechen eine ungeheuerliche Neuigkeit. Zu lesen ist aber nur die immergleiche Mitteilung: Sorry, Not in Service. Die Funktion der Maschine besteht im Paradoxon, ihre Dysfunktionalität mitzuteilen. Die Erwartungshaltung des Betrachters wird enttäuscht. Der minimalistische, gesichtslose Automat aus Aluminium verursacht Unverständnis, Ärger und Frustration. Gaby Peters macht hier den eigentümlich emotionalen Berührungspunkt zwischen Mensch und Maschine spürbar. Er reicht von der höflichen Entschuldigung der gelben Scheibe bis zur künstlichen Intelligenz. Logik, Schaltkreise, Funktionalität – so rational Physik und Technik auch operieren, lassen sie einen nicht kalt. Das wird auch in Gaby Peters Installation Sehnsucht deutlich. Ein Konfettihaufen liegt auf dem Boden. In dessen Nähe hängt ein Ventilator. Verlockend ist der Gedanke, den zum Greifen nahen Schalter zu betätigen, der hypnotisch vor den Augen des Betrachters baumelt, und die erhoffte Ereigniskette in Bewegung zu setzen. Doch wie weit darf man gehen? Wann wird aus Spiel Ernst? |
|||