Gaby Peters  
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Dr. Peter Schmieder // Eröffnungsrede zur Ausstellung "still confused but on a higher level", 2012

„Jetzt kann ich endlich die Glückskeks-Zerstampf-Maschine bauen." - Alle, die das hörten und diesen Wunsch nicht kannten, haben sich im Laufe der Zeit von der Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens überzeugen können. Hinter dieser Aussage stecken bei Gaby Peters natürlich die künstlerische Behauptung, das künstlerische Vorhaben, die Idee und der künstlerische Wille. Gaby Peters tritt als Videokünstlerin auf und als Bildhauerin, aber es gibt auch Papierarbeiten und käufliche Editionen. Gemeinsam ist den Arbeiten von Gaby Peters, dass sie, ob nun Maschine oder Video, eine mit Humor intuitiv zu verstehende Situation erzeugen – aber was steckt hinter dem Lachen, dem Lächeln, das diese Arbeiten auslösen? Einer der Aspekte des Humors ist die befreiende Erkenntnis, die schlagartig eintritt durch die Pointe. Das ist auch hier evident, aber was ist die Pointe, um welche Erkenntnis handelt es sich eigentlich?

Schon in den Videos mit den kleinen Aufziehautomaten lässt sich eine Grundhaltung erkennen. Indem nämlich die kleinen Automaten zum Kampf mit ihrer Umgebung ausgesetzt werden, quasi ausgewildert, so werden die mechanisierten Dinge in einem neuen sozialen Biotop vorgeführt. Das gilt auch für die staksenden und ratternden Wäschespinnen, die lebensgroß mit uns Besuchern in Kontakt treten. Offenbar grundiert dieser Zusammenhang Mensch-Maschine die künstlerischen Arbeiten von Gaby Peters.

An den beiden großen Maschinen in dieser Austellung lässt sich das zeigen. Maschinen produzieren Serien oder wiederholen Vorgänge. Im Wesen der Maschine ist die Replikation auch ihrer selbst angelegt – nicht so bei Peters: sie plant den Prototyp als Individuum, als Gegenüber, das einzig zum Ziel hat, eine Funktion zu erfüllen und zu repetieren.

Die waagerecht zu lesende und um eine parallele Achse kreisende Botschaft „No milk today“ ist die dem englischen Kulturkreis entstammende, ursprünglich auf einem Zettel auf der Türschwelle an den Milchmann gerichtete Nachricht, dass man heute beispielsweise verreist ist und daher keine Milch wünscht. Eigentlich also die Nachricht über eine Ausnahme von der Regel. Bei Peters gerät die Ausnahmenachricht zur Regel, indem sie immer und immer wieder abgegeben wird. Die Maschine erzeugt damit eine Kommunikation verweigernde, abweisende Haltung, deren Intensität durch den kühlen, dem Milchspektrum entnommenen Farbton des Gehäuses noch verstärkt wird. In dem Maße, wie der Nachricht der Adressat verloren gegangen ist, so kann die Skulptur als traurige Botschaft über Kommunikation gelesen werden. - Offenbar interessiert sich die Künstlerin auch für die Umkehrung bestimmter Prozesse oder Funktionsweisen: Denn Popcorn von Hand zu machen, indem sich die Künstlerin einen Maiskornhalter aus Draht für ein Teelicht biegt und dann tapfer Korn für Korn erhitzt, bis einen ansehnliche Menge Popcorn produziert ist: diese Vorgehensweise dehnt einen kurzen Vorgang ins fast Unerträgliche. Die Künstlerin überführt eine automatische Prozedur in Handarbeit, so wie „No Milk Today“ eine handschriftliche einzelne Botschaft in eine serielle Automation überführt.

Unter dem Titel „Fortuna X14.3“ sehen wir eine imposante Maschine, deren einzige Funktion ist, die aus einem Trichter über ein Förderband transportierten Glückskekse mit einem Stampfer zu zermalmen und zu einem Haufen anzuschütten. Mit einem ungeheuren Aufwand wird aus einem einzelnen Akt, nämlich der Zerstörung des Glückskekses durch einen Menschen, der dann auch die an ihn gerichetete Botschaft verstehen könnte, ein serieller Akt, der die Zerstörung automatisiert und die Glücksversprechen ignoriert und auf einen Haufen wirft wie bei Caspar David Friedrichs Eisschollen („Die gescheiterte Hoffnung“). Und es kommt einem so vor, als habe die Maschine auf diese Aufgabe nur gewartet, denn wer sollte nachhaltig und automatisiert besser geeignet sein, Träume zu zerstören, als eine Maschine? Die „Fortuna X14.3“ parodiert eine lineare Produktionsstraße, während die „No milk today“ rotiert, wie auch schon „Sorry not in Service“: allen aber kommt die ursprüngliche Botschaft abhanden. Und die Maschinen selbst werden mit der Botschaft auch nicht glücklich, denn wenn sie sie verstehen könnten, würden sie ihre Tätigkeit womöglich einstellen müssen. Das rituelle und verzweifelte Stampfen hilft auch dieser Maschine nicht, sie wird ebenso wenig glücklich wie die Menschen, deren Kekse sie zermalmt.

Wo treffen sich die Socken, die einzeln in der Waschmaschine verschwunden sind?
Mit wem kommunizieren die Ampeln, die in der Nacht vor sich hin blinken und die Dunkelheit vor sich selbst warnen? Oder die rot leuchtenden Augen, die als Lichtschranke vergeblich auf ihren Herrn warten, der die Schranke durchschreiten möge. Wer hat nicht schon Spielautomaten erlebt, die mit verzweifelten Melodien auf sich aufmerksam machen oder wer ist schon einmal von einer Maschine gefragt worden, ob man nicht doch ein Getränk ziehen möchte... Oder die Ampel, die im Wege einer Kontaktschaltung Tag und Nacht auffordert, doch näher zu kommen...

  Wenn sie sich diese Welt vorstellen können und ihr eine über die Skurrilität der Situationen hinausgehende Erkenntnis abgewinnen können, dann haben Sie die Welt von Gaby Peters betreten. Eine Welt, in der Maschinen ein Eigenleben führen, ohne ihrer traurigen Existenz entkommen zu können. In der Maschinen Anlass zu Überlegungen über Emotionen geben. In der die Menschen und Maschinen sich, manchmal sogar heiter, voneinander emanzipiert haben, und sich gegenseitig bei ihrem Allzumenschlichen und Allzumaschinenhaften ertappen und kommentieren.

Vor einigen Jahren war anlässlich der Futurismusausstellung in diesen Räumen der Ausruf aus den Schriften der italienischen Bewegung zu hören: „Auch wir Maschinen, auch wir mechanisiert“ – vor etwa hundert Jahren wurde der Traum geträumt, sich in der Geschwindigkeit und der Bewegung der modernen Technik zu verlieren und mit ihr eins zu werden. Gaby Peters ist da viel weiter: Für sie sind Maschinen unsere tragischen Begleiter geworden. – Marcel Duchamp liess Maschinen rotierend Bilder anfertigen – Gaby Peters hat erkannt, dass Maschinen selbst hoffnungslose Existenzen sind, die tapfer gegen die Sinnlosigkeit ankämpfen, damit dem Menschen ganz ähnlich. Jean Tinguely hat, zum Beispiel in seinen Brunnenskulpturen, so heiter wie verspielt dennoch die dienende Funktion der Maschinen akzeptiert. Bei Peters wird aus der Tinguelyschen Heiterkeit eine verzweifelte Ironie (die den Sarkasmus streift), die die Maschine auf einer anderen Ebene wahrnimmt, nämlich als unser Gegenüber, dem wir als Menschen nur menschlich begegnen können. Gehen wir ein Haus weiter – im „U“ gibt es gerade viel Fluxus zu sehen anlässlich des Fünfzigjährigen dieser Kunstrichtung. Manchmal auch in den Werken, besonders aber im angelsächsich grundierten Humor der dort vertretenen Künstler findet sich am ehesten eine Grundhaltung, deren legitime Erbin Gaby Peters ist.

Abschliessend ein Blick in die Filmgeschichte, in der die Verbindung von Mensch und Maschine seit langer Zeit Thema ist und letztlich auch das streift, was Gaby Peters umtreibt. Nehmen wir nur Fritz Langs „Metropolis“, das vom Mensch-Maschine-Verhältnis im Zeitalter der Massenproduktion und der Verelendung handelt, oder Charlie Chaplins „Modern Times“ über die Verzweiflung des Individuums in der mechanisierten Welt. Oder, jünger, die „Terminator“-Serie, in der die Maschine mal gut, mal böse ist, je nach dem, wer sie aus der Zukunft zurücksendet. Letzterer lernt, sich menschlich zu verhalten und entwickelt so etwas wie einen absurden Humor. Man könnte das fortführen und examinieren an Filmen wie i-robot, A.I. artificial intelligence, Minority Report, Starship Troopers, aber ich will nur noch auf einen eingehen: Ridley Scotts „Blade Runner“, in welchem Replikanten von Menschen durch Verhalten im Hinblick auf Emotion unterschieden werden sollen, was aber auf einmal nicht mehr richtig funktioniert. Anhand der Verwischung der Grenze zwischen Maschine und Mensch, indem ihr Verhalten nicht mehr genau bestimmbar zugeordnet werden kann, stellt sich in diesem Film die Frage nach der Existenz und dem Menschlichen generell – wie bei Gaby Peters. Das Buch, nach dem der Film entstand, trägt denn auch einen Titel, als sei er von ihr: „Träumen Roboter von elektrischen Schafen?“ Für die Arbeiten der Künstlerin möchte man fast hinzufügen: Können Maschinen selbstironisch sein?

Wir stehen heute auf der von Gaby Peters beschriebenen Grenze zwischen der Anthropomorhisierung der Maschinen und der Maschinisierung von Menschen, denken Sie nur an die moderne Prothetik oder an die Hirnforschung. Was uns im Bereich von Transplantation, künstlicher Lebensverlängerung und Prothetik beschäftigt, aber auch das was uns wachsam auf die Entwicklung automatischer Haushaltshelfer schauen lässt, auf die Umzingelung durch elektronische Kommunikation, all diese medientheoretischen, ethischen und philosophischen Erwägungen zum Thema Mensch-Maschine und Handlung-Prozess-Automatisation haben in den Objekten und Maschinen, und in den Videos und Papierarbeiten von Gaby Peters eine intelligente wie emotionale künstlerische Entsprechung. Um im Jargon zu bleiben: Da sie Kunst sind, produzieren diese Arbeiten einen erheblichen ästhetischen Mehrwert.

Noch ein Wort zu den Wäschespinnen: Indem Gaby Peters Maschinen vor die Wand laufen lässt, laufen diese auch immer an die Grenzen ihrer Definition – aber wir, als Menschen, laufen Hand in Hand mit den Maschinen direkt danebenher.