Gaby Peters  
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Dr. Elisabeth Dühr // Laudatio zum Robert Schuman Preis // Stadtmuseum Simeonstift Trier // 2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich habe heute die Ehre, das Votum der Jury zur Vergabe des Robert-Schuman-Kunstpreises der Städte Luxemburg, Metz, Saarbrücken und Trier zu begründen.
Lassen Sie mich zunächst einen Dank an alle teilnehmenden Künstler und Künstlerinnen  aussprechen, die sich bereit erklärt haben, an der Wettbewerbsausstellung teilzunehmen und sich der Diskussion zu stellen. Das ist keineswegs selbstverständlich, erfordert Mut und ein gehöriges Maß an Selbstbewusstsein. Man stelle sich eine solche Situation einmal für andere Berufsgruppen vor und schon wird einem bewusst, welche Herausforderung es ist, die eigene Person, die eigene Arbeit und Überzeugung, eigene Standpunkte und künstlerische Positionen für eine öffentliche Diskussion frei zu geben.
Damit wächst der Jury eine enorme Verantwortung zu, behutsam und voller Respekt dem Werk und den Künstlern gegenüber kein Urteil zu fällen, sondern in größtmöglichem Konsens eine Empfehlung auszusprechen, die unter Berücksichtigung aller vorgetragenen Argumente abwägt.

Einvernehmlich hat die Jury, die sich aus Vertretern der vier ausrichtenden Städte zusammengesetzt hat,  das hohe Niveau der eingereichten Arbeiten gewürdigt. Die Ausstellung sei ein Gewinn für die Großregion, da sie die Möglichkeit biete, einen repräsentativen Querschnitt des aktuellen Kunstgeschehens zu vermitteln, Themen sichtbar zu machen, die die Künstler und Künstlerinnen bewegen. Dass dies seit 25 Jahren gelingt und immer wieder Anlass zur Zusammenarbeit bietet, zum Gedankenaustausch lädt und die Kunstschaffenden miteinander ins Gespräch bringt, ist ein nicht zu unterschätzender Benefit, ein Baustein im Bemühen, die oft beschworene kulturelle Identität der Großregion sichtbar zu machen. Obgleich regional in der Zuordnung der Künstler braucht die Ausstellung den internationalen Vergleich nicht zu scheuen: Alle Themen und künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten des internationalen Parketts finden ihren Widerhall auch in der Großregion. Die aufgegriffenen Themen sind so facettenreich wie die Kunstschaffenden, die ihre Arbeiten eingereicht haben: Zukunftsängste, Verunsicherung, die Rückführung zivilisatorischer Errungenschaften in natürliche Prozesse, die intuitive Erfassung von Zeitabläufen, poetische Positionen als Fluchtpotenzial einer durchstrukturierten Lebenswelt und die Rückbesinnung auf die ureigenen Ausdrucksmöglichkeiten, die bildnerischem Schaffen inne wohnen.

Die Jury hat die Empfehlung ausgesprochen, den diesjährigen Robert-Schuman-Kunstpreis an Frau Gaby Peters zu vergeben. In ihrer Begründung führte die Jury aus:
Wir sind täglich in Bewegung. Wir laufen, rennen und hetzen durch eine Welt, die sich ständig um die eigene Achse dreht. Geschwindigkeit, Beschleunigung und

 

Fortschritt sind die Parameter unserer Gegenwart. Sie geben längst nicht mehr nur der Wissenschaft und Technik den Takt vor, sondern auch unserem Alltag, unseren zwischenmenschlichen Beziehungen und unserem Denken.Dieser tägliche Energiefluss ist die Inspiration für die kinetischen Arbeiten von Gaby Peters. Mit feiner Ironie und tiefsinnigem Humor knüpft sie an die Alltagserfahrungen der Betrachter an. In einer Gesellschaft, die sich in ihrer blinden Fortschrittsbegeisterung selbst ad absurdum führt, zeigt sie die Mechanismen auf, denen der eigene Lebensrhythmus täglich unterliegt.

In unermüdlicher Betriebsamkeit dreht ihre Teller-Jongliermaschine Porzellan auf einem Holzstäbchen im Kreis. Mit dem ästhetischen Reiz, der über die Unzweckmäßigkeit dieser Apparatur hinwegtäuscht, lässt sie den Betrachter in die Falle tappen, der er als Konsument von aberwitzigen, durchdesignten Lifestyle-Produkten immer wieder auf den Leim geht.
Ihre signalgelbe Anzeigentafel Sorry, not in Service, die wie ein übergroßer Smiley mit fröhlicher Penetranz über ihre eigene Dysfunktionalität informiert, weckt Assoziationen an die endlose Frustration im Happy-Sound der Warteschleifen von Service-Hotlines.

Gaby Peters beobachtet nicht nur pointiert die gegenwärtige gesellschaftliche Situation, sondern denkt auch alternative Konzepte weiter. Der Ausstieg aus dem Hamsterrad wird in ihrer Video-Arbeit Saturday Night zum Thema, in dem sie fast 5 Stunden lang Popcorn über einer Teelichtflamme gart.
Was passiert, wenn unser Energiesystem zusammenbricht und unsere Ressourcen versiegen – im technischen wie körperlichen Sinne? Wenn der Strom ausfällt und das Internet versagt? Wenn wir ans Ende unserer Kräfte gelangen? Die Rückkehr zur Einfachheit und Entschleunigung wird hier zur Herausforderung.
In ihrer Installation Sehnsucht kulminieren diese Gedanken im Bild eines Ventilators, der neben einem Konfettihaufen hängt. Hat der Betrachter die Ereigniskette noch unter Kontrolle, die einsetzen wird, wenn er die Technik betätigt? Kann er mit den Konsequenzen leben? Mit diesem Gewissenskonflikt wirft Gaby Peters eine Frage auf, der wir uns alle viel öfter stellen sollten.

Gerade diese Ansprache des Betrachters ist es, die Gaby Peters Arbeiten auszeichnet. Mit vielfältigem Medieneinsatz zwischen Low- und Hightec und handwerklicher Perfektion gelingt es ihr, auf verschiedenen Ebenen eine Thematik zu vermitteln, die in ihrer Aktualität auch über die Grenzen der regionalen Kunstszene hinaus von Relevanz ist.
Gaby Peters Arbeiten setzen Impulse und geben Denkanstöße – wie ihre Newtonsche Wiege aus Wasserbällen, mit der sie den Ball an den Betrachter weiterspielt.